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Cäthe


CÄTHE: Einsichten eines Chill Out Punks„Ich war jung und brauchte den Schrei“. So klingt es, wenn die Sängerin und Songwriterin Cäthe über die ersten Jahre ihrer Karriere spricht. Nun ist sie nach langer, erholsamer Pause mit „Chill Out Punk“ zurück, ihrem ersten Album seit „Vagabund“ aus dem Jahr 2015. Es erscheint am 14. Januar auf Cäthes eigenem Label „Träum Weiter! Records“.Autor: Daniel KochDie Konzerte von Cäthe, die ich erleben durfte, hinterließen mich immer etwas zerrupft. Das lag an dieser, auf beste Weise, Kräfte zehrenden Mischung aus totaler Begeisterung, dem Nachhallen ihrer Stimme in meinem Kopf, dem Schwindel einer emotionalen Achterbahnfahrt und ehrlich gesagt auch a bisserl Angst – vor dieser Stimme, dieser Leidenschaft auf der Bühne, vor diesen poetischen Ausbrüchen, die sie mal wie eine Urgewalt in den Saal schreit und dann wieder mit diesem warmen Timbre direkt ins Herz flüstert. Als ich Cäthe nun zum Gespräch über ihr erstes Studioalbum seit „Vagabund“ aus dem Jahre 2015 treffe, bin ich genau wegen diesen Erinnerungen etwas nervös. Was mir in diesem Job ehrlich gesagt selten passiert. Und was ich noch seltener zugebe. Aber meine Nervosität weicht schon nach wenigen Sekunden der Neugier und der Begeisterung. Weil ich merke, dass wir hier zu einem sehr besonderen Zeitpunkt ihrer Karriere sprechen. Weil Cäthe auch im Interview eine Energie und eine Begeisterung für ihre Musik hat, die schlichtweg ansteckend sind. Und weil ihr neues Album „Chill Out Punk“ einfach so verdammt gut und besonders ist, dass es an Gesprächsstoff nicht mangelt.Schon wie es losgeht! Song eins, „Toast Hawai“, ist fast tropisch beschwingt, mit sonnigen Keyboards, einer Flöte (Ist das noch Punkrock!!!11!!???!!!), einem freundlich brummenden Bass und dieser Zeile: „Ja, ich werd‘ zu Sternenstaub irgendwann / auch meine wippenden Brüste / hast du jemals drüber nachgedacht?“ Im Refrain singt Cäthe dann: „Was uns im Inneren zusammenhält? Die Lust auf Toast Hawaii, der Ruf nach dem Urschrei / Was uns im Inneren zusammenhält? Wir haben beide nicht alle Tassen im Schrank.“ Dieser Opener ist ungewöhnlich, aber er gibt die Richtung vor für dieses Album. Was mich zur ersten Frage führt: Wie wurde aus dem „Vagabund“ eigentlich ein „Chilltoutpunk“? Cäthe lacht kurz und sagt dann: „Der ‚Punk‘ im Titel bezieht sich natürlich nicht auf die Musikrichtung, sondern eher auf die Rebellion in meinem Herzen. Die trotzdem immer noch besteht und mich ausmacht. Die aber nicht mehr so abgrundtief düster, laut und extrovertiert daherkommt. Ich habe irgendwie in den letzten Jahren meinen Weg gefunden, mit dem umzugehen, was ich bin.“ Dieser Weg sei für sie eine Mischung aus Selbstakzeptanz, gewissen Routinen, die sie erden und das, was einem Punk das größte Grauen ist: Alltag. Den Cäthe auf ihrem Album mit einem trockenen, treffsicheren Humor angeht, der dann eben doch sehr punkig ist. Die Sache mit dem Alltag hat Cäthe dabei in erste Linie ihrem Sohn zu verdanken. Für ihn hat sie die Piano-Ballade „Sonne, Mond und Sterne“ geschrieben – die mit einfachen, kraftvollen Worten die bedingungslose Liebe einer Mutter zu ihrem Kind besingt. Die natürlich auch ein Grund war, warum Cäthe in den letzten Jahren die Mühle des Musikerinnen-Daseins gemieden hat. Und nur mal auftauchte, um Anfang 2020 zum Beispiel in der Elbphilharmonie ihre Fans mit einer furiosen Show für das lange Warten zu entschädigen und bei der Pandemie-Ausgabe der „Fête de la Musique“ im gleichen Jahr sogar das undankbare Format einer Video-Session mit Leben und Feuer zu füllen. Cäthe sagt dazu: „Ja, seit ich ein Kind habe, habe ich auch einen Alltag. Den hatte ich davor nicht. Mein Kind hat mir nicht nur einen neuen Lebensabschnitt geschenkt, sondern eben auch einen Alltag dazu. Das ist sehr schön, war anfangs ehrlich gesagt aber auch echt heftig, weil ich das ja alleine durchgezogen habe. Aber mittlerweile bin ich unglaublich daran gewachsen und es hat mich echt gestärkt.“Diese neue Kraft zeigt sich nun nicht in den lauten, waidwunden Liedern, die sie weiterhin kann, sondern in wundervoll getexteten, musikalisch beschwingten, aber deepen Popsongs, die zwar oft auf Humor setzen, aber immer noch die Dinge thematisieren, die uns im Inneren zernagen. Man höre nur „Party mit der Angst“ und man weiß, was ich meine. Was da alles drin steckt! Die Pandemie-Erfahrung, die uns noch immer in den Knochen und der Seele steckt. Die tägliche Existenzangst, die wir alle kenne. Aber auch das Wissen um die eigene Größe, die man erreichen könnte, wenn man sich nur endlich auf den Arsch setzt. Bei Cäthe klingt das dann so: „Hier ist deine Madonna! Hey, hallo, ich brauch n Job. Ein Champion schaut aus meinen Augen. Ein Hartzer wühlt in meiner Tasche. Oh, ich halt’s kaum aus, heut komm ich schräg drauf. Warum dieser Stress? Fühlt sich an wie ein Test. Ich feier‘ eine Party mit der Angst.“ In diesem Lied stecken vielleicht auch die Zweifel am Musikerinnen-Dasein, die sie in den letzten Jahren durchaus heimgesucht haben, wie sie offen zugibt. „Bevor ich das Album mit meinem Co-Produzenten Andi Fins angegangen bin, war ich tatsächlich an dem Punkt, wo ich mich fragte: Mache ich jetzt eigentlich noch weiter mit der Musik? Will ich das noch? Ich bin ja auch diese Karriere-Rutsche immer wieder durch – hoch und runter und so. Mal war ich der heiße Scheiß, dann passte ich irgendwie doch nirgends rein. Ich war so müde davon. Und Musikerin zu sein ist einfach echt ein komisches Business. Dieses Sich-so-nackig-Machen und das Auf-die-Bühne-Stellen. Das ist irgendwie unnatürlich alles. Und so narzisstisch. Da kann man ja eigentlich nur zerstört rausgehen aus der ganzen Nummer.“Zum Glück hat sie es heile da rausgeschafft. Und kann nun auf ihre Weise gechillt auf eine Karriere schauen, die noch immer viele Menschen berührt und beeindruckt. Irgendwann sagt Cäthe mir, fast nebenbei, wie sie oft sehr wahre und sehr genaue Sätze raushaut: „Diese Album ist ein Geschenk an mein jüngeres Ich.“ Und dieses jüngere Ich hat ja Erstaunliches geleistet: Cäthes Debüt „Ich muss gar nichts“ und Lieder wie „Unter meiner Haut“ machten Cäthe 2011 aus dem Stand bekannt, was vielleicht auch an einem Auftritt bei Ina Müller lag, die danach sagte: „Für mich ist sie eine der besten Sängerinnen des Landes.“ 2012 bekam Cäthe den GEMA-Autorenpreis in der Kategorie Rock und im Jahr darauf den Fred-Jay-Preis als Textdichterin. Was Cäthe aber nicht davon abhält, mir zu sagen: „Ich halte mich gar nicht für so eine gute Texterin.“ Was ich, mit Verlaub, nur Understatement nennen kann. Die Nachfolgealben „Verschollenes Tier“ (2013) mit dem ergreifenden „Mein Herz mit dir bin ich frei“ und schließlich „Vagabund“ mit dem unfassbaren gesungenen „Hallelujah“ waren dann die vorerst letzten auf Platte gebannte Ausrufungszeichen. Cäthe blickt nicht mit Wehmut, sondern mit Wärme und Dankbarkeit auf diese Zeit. Einmal lacht sie laut auf und sagt zu: „Ich war jung und brauchte den Schrei.“ Aber das fühle sie heute einfach nicht mehr so. „Das hat damals alles schon Sinn gemacht. Sich nachts wahnsinnig in Rage zu reden, zu paffen ohne Ende, sich zu betrinken. Und jede Liebe ist dann immer so riesig und schlimm und so furchtbar und so groß und so laut. Ich mag es immer noch, lebendig und bunt zu sein. Aber diese ernsten Dinge mit einem Zwinkern in den Augen zu betrachten, steht und bekommt mir besser. Ich bin auch jetzt nicht angekommen, das werde ich nie. Aber ich bin keine Suchende mehr. Ich schaue, was mir der Tag so schenkt und achte drauf, dass ich was Vernünftiges draus machen kann.“ Ihren musikalischen Partner-in-Crime für dieses Vorhaben fand sie schließlich bei Andi Fins. Mit ihm produzierte sie „Chill Out Punk“ und spielte den Großteil des Albums ein. Die Arbeitssituation war allein schon pandemiebedingt sehr intim. „Andi hat sein ganzes Equipment im Wohnzimmer aufgebaut und lebte praktisch da.“ Man habe sich dann in sehr intensiven Etappen getroffen und vieles gemeinsam erarbeitet. „Manchmal saß ich in der Küche und feilte an einem Songtext und hörte, wie Andi im Nebenzimmer Dinge ausprobierte. Dann wurde auch schon mal rüber gerufen: ‚Das ist scheiße, lass das!‘ Oder aber ich ließ alles stehen und liegen und kam rüber gesprintet, weil er gerade mit so einer tollen Melodie rummachte.“ In dieser Zeit habe sich das Album auch noch grundlegend verändert, erklärt Cäthe. Diese entspannte Grundstimmung, dieser clevere Groove, die verspielte Instrumentierung, das musikalische Herz von „Chill Out Punk“ – all das habe sich erst nach und nach geformt. „Ich habe lange überlegt, wie mein Sound heute klingen soll. Ich liebe die Talking Heads und wollte, dass man diesen Einfluss spürt. Aber man kann doch heute kein Album machen, das nach 1979 klingt.“Tatsächlich klingt „Chill Out Punk“ nun ziemlich zeitlos. Vielleicht weil man sich schwer damit tut, das Referenzkarussell anzuwerfen und das gute alte „Klingt wie“-Spiel zu spielen. Vielleicht aber auch, weil diese Lieder die großen Themen Liebe, Leben, Altern, Frausein, Alltag, Ängste auf eine Weise verhandeln, die einem im deutschen Pop selten begegnet. Frei von Pathos und trotzdem beseelt von großen Gefühlen. Witzig, ohne auf Ha-ha-Reime oder gefeilte Pointen zu setzen. Kämpferisch und in sich ruhend zugleich – womit wir wieder beim Titel „Chill Out Punk“ wären. Das beste Beispiel dafür ist vielleicht die erste Single „Warum darum“. Ein genaues Sezieren einer Beziehung, die nach dem brennenden Intro nun im Alltag bestehen muss. In dem man die Fehler, die Zweifel und die verqueren, von Sexismus durchsetzten Erwartungen der Gesellschaft erdulden muss. Die Problematik mündet in dem wundervollen Refrain: „Und warum muss ich eigentlich mit meiner Therapeutin über deine Minderwertigkeitskomplexe reden?“ Die Antwort kommt von einem kleinen Chor im Hintergrund, der trällert: „Warum? Darum!“ Cäthe sieht in dem Lied auch Parallelen zu ihrem beruflichen Werdegang und den Dingen, mit denen man sich als selbstbestimmte und selbstständige Künstlerin herumschlagen muss. „Wie oft hatte ich in diesem Business mit Leuten zu tun, die mir immer wieder sagten, ich müsse so und so sein oder so und so klingen.“ Das gäbe sie sich heute nicht mehr. Deshalb passiert bei „Chill Out Punk“ auch alles nach ihren Regeln: „Ich habe inzwischen ein Team um mich, das ich mir ganz genau ausgesucht habe und jetzt auch ein eigenes Label. Wir machen alles, was wir machen können, alleine.“ „Chill Out Punk“ hat noch viel mehr tolle Lieder, als die hier erwähnten. Meinen Lieblingssong „Orgasmus“ zum Beispiel, der Sexualität auf eine Weise behandelt, die dem Thema ausgesprochen gut tut. Oder „Voodoo“, das mit dieser Metapher das wundervolle und manchmal schmerzliche Spannungsfeld zwischen zwei Menschen erkundet. Oder das gegen die Depression anmusizierende „Der Himmel hängt so tief“. Oder das respektvolle, traurig-schöne Caterina Valente-Cover „Wärst du eine Königin“, das ein starker Schlusspunkt des Albums ist. Nach diesen zehn originalen und dem einen geborgten Lied weiß man jedenfalls: Cäthe ist wieder da. Mit „Chill Out Punk“-Spirit auf Albumlänge und mit einer großen Tour Anfang 2022.Veröffentlichte Alben:
Ich muss gar nichts (2012) Verschollenes Tier (2013) Live- Direct 2 Disc Vinyl Session (2013) Vagabund (2015)

 
   
     
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